Krieg in der Ukraine: Moskau ermittelt gegen Sohn britischer Abgeordneter
In seiner Heimat wird Ben Grant als Held gefeiert: Der Sohn einer britischen Politikerin kämpft für die Ukraine gegen Russland. Nun reagiert die Justiz in Moskau.
Weil er im Krieg in der Ukraine gegen das russische Militär kämpft, hat die Moskauer Justiz ein Strafverfahren gegen den Sohn der
britischen Parlamentsabgeordneten und Ex-Ministerin Helen Grant eingeleitet. »Im Rahmen eines Strafverfahrens wegen Söldnertums
untersuchen die Ermittler die Rolle eines Verwandten der britischen Parlamentarierin Helen Grant«, teilte das russische
Ermittlungskomitee in seinem Telegram-Kanal mit.
Britische Medien feiern Ben Grant als Helden. Der ehemalige Marineinfanterist kämpft seit März als Freiwilliger für die Ukraine gegen
die russische Invasion. Die britische Presse berichtete zuletzt, er habe unter Feuer einem verletzten Kameraden das Leben gerettet und
ihn vom Schlachtfeld getragen.
Die Lesart in Moskau ist eine andere. Nach Angaben der russischen Behörden »leitete er den Angriff einer Gruppe von westlichen Söldnern
auf russische Militärtechnik in der Ukraine«. Daher würden Grants Handlungen nun strafrechtlich beurteilt. Söldnertum kann in Russland
mit bis zu sieben Jahren Gefängnis geahndet werden.
Allerdings kämpfen in dem Konflikt auch auf russischer Seite Söldner. Die bekannteste Gruppierung ist die Söldnergruppe »Wagner«, als
deren Geldgeber der kremlnahe Unternehmer Jewgeni Prigoschin gilt.
Ukraine
Die Ukraine ist nach Russland der größte
Staat Europas. Seit Erlangung der
Unabhängigkeit im Dezember 1991
organisiert sich das Land politisch als
parlamentarisch-präsidiale Republik; es
trat 1994 seine Atomwaffen an Russland ab
und erhielt im Budapester Memorandum
im Gegenzug Garantien für seine
territoriale Integrität. Als der prorussische Präsident
Wiktor Janukowytsch Ende 2013 ein
geplantes Assoziierungsabkommen mit der EU nicht
unterzeichnen wollte, kam es zu
monatelangen Massenprotesten, der sogenannten
Euromaidan-Revolution. Nach
Janukowytschs Flucht im Februar 2014 annektierte
Russland die Halbinsel Krim. Es war der
Beginn des russischen Kriegs gegen die Ukraine. Er
setzte sich fort mit der Unterstützung
prorussischer Milizen, die in der Ostukraine die
Separatistenrepubliken in Donezk und
Luhansk ausriefen und gegen die ukrainische Armee
kämpften. Am 24. Februar 2022 begann
Russland einen umfassenden Angriffskrieg gegen die
Ukraine mit Vorstößen auf die Hauptstadt
Kiew, die Großstädte Charkiw und Sumy, die Küste
am Asowschen Meer und im Donbass.
Habeck beklagt vor EU-Gipfel langsamen Verlust der Einigkeit
29. Mai
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat kurz vor dem EU-
Sondergipfel einen langsamen Verlust der europäischen Einigkeit
ausgemacht. Man habe nach dem russischen Einmarsch in der Ukraine
gesehen, wozu Europa bei starkem Zusammenhalt in der Lage sei,
sagte er am Sonntag bei einer Diskussionsveranstaltung zur Hannover
Messe. Mit Blick auf das EU-Treffen am Montag mache er sich aber
Sorgen: »Es fängt schon wieder an zu bröseln und zu bröckeln.«
Türkei lehnt Nato-Beitritt von Schweden und Finnland
weiter ab
29. Mai
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan will den
Beitritt Schwedens und Finnlands nicht unterstützen. Die
Gespräche mit beiden Ländern in den vergangenen Tagen
seien nicht auf dem »erwarteten Niveau« gewesen, sagte
Erdoğan laut dem Staatssender TRT Haber. »Sie sind nicht
ehrlich oder aufrichtig«, wird der Präsident zitiert. Die
Türkei könne keinen Nato-Beitritt von Ländern
befürworten, die »Terrorismus unterstützen«.
Kreml will Serbien weiter mit Gas beliefern
29. Mai
Russland beliefert Serbien weiterhin mit Erdgas. Darauf hätten
sich der russische Präsident Wladimir Putin und sein serbischer
Amtskollege Alexandar Vucic in einem Telefonat verständigt, teilt
das Präsidialamt in Moskau mit. Die beiden Länder wollten ihre
Partnerschaft vertiefen. Vucic erklärt, Thema sei auch die
Erweiterung von Gaslagern gewesen. Er und Putin hätten sich auf
einen Liefervertrag über drei Jahre geeinigt. Über den Preis könne
er nicht sprechen, Einzelheiten würden mit Gazprom geklärt.
Der zehnjährige Liefervertrag mit dem russischen Energiekonzern
läuft am 31. Mai aus. Nach russischen Angaben diskutierten Putin
und Vucic auch die Lage in der Ukraine und im Kosovo. Dieses hat
2008 seine Unabhängigkeit von Serbien erklärt, was die dortige
Regierung nicht anerkennt. Serbien unterhält traditionell enge
Beziehungen zu Russland und will EU-Mitglied werden. Dafür ist
aber eine Normalisierung des Verhältnisses zum Kosovo nötig.
Esken will Zwei-Prozent-Ziel bei
Verteidigungsausgaben nicht jedes Jahr einhalten
29. Mai
Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken rechnet nicht damit,
dass Deutschland das Nato-Ziel bei den
Verteidigungsausgaben fortan jedes Jahr einhalten kann.
»Wir werden das Zwei-Prozent-Ziel nicht in jedem Jahr
gleichermaßen erreichen«, sagte Esken der »Frankfurter
Allgemeinen Sonntagszeitung«. Als Grund nannte sie die
langen Vorlaufzeiten bei Rüstungsprojekten und
unregelmäßige Kosten im Beschaffungswesen.
»Wenn man heute Großgerät bestellt, bekommt man das
erst in drei oder vier Jahren«, sagte Esken. »Das heißt,
möglicherweise sind die Summen in den ersten zwei
Jahren nicht so hoch, und dann kommt ein Jahr, in dem
sehr viel notwendig wird.«
Auf die Frage, ob es ein Fehler gewesen sei, dass Kanzler
Olaf Scholz (SPD) nach dem Beginn des russischen
Angriffskriegs auf die Ukraine eine Einhaltung des Zwei-
Prozent-Ziels »Jahr für Jahr« versprochen habe, sagte
Esken: »Natürlich nicht. Aber man muss sich doch über
die Realitäten der Beschaffung im Klaren sein.«
Die Nato-Staaten haben 2014 vereinbart, ihre
Verteidigungsausgaben »in Richtung« zwei Prozent der
Wirtschaftsleistung zu erhöhen. Für Deutschland wären
dies derzeit rund 70 Milliarden Euro. Im Haushalt für
dieses Jahr sind im Verteidigungshaushalt 50,4 Milliarden
Euro vorgesehen. Die Lücke soll in den kommenden
Jahren über ein 100 Milliarden Euro schweres
Sondervermögen für die Bundeswehr geschlossen
werden
Bundesnetzagentur-Chef pocht auf Aufstockung der Gasvorräte
29. Mai
Der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, dringt
angesichts des Ukrainekriegs auf eine Aufstockung der deutschen
Erdgasvorräte. Die Gasspeicher hierzulande füllten sich »besser als
in den Vorjahren« und seien stärker gefüllt als noch Anfang Mai,
sagte Müller dem Deutschlandfunk im »Interview der Woche«. Sie
seien aber »noch nicht gut genug gefüllt, wenn wir kurzfristig
weniger oder kein russisches Gas mehr bekommen würden«.
Müller verwies auf die Vorgaben des neuen Gasspeichergesetzes.
Wenn Deutschlands Gasspeicher, wie darin vorgesehen, tatsächlich
zu 90 Prozent plus x befüllt würden, hätte das Land »zumindest für
zweieinhalb Monate, unter stabilen Bedingungen, bei einem
normalen Winter, einen Puffer«, sagte der Behördenchef. Für
Industrie und Verbraucher wäre dies aus seiner Sicht »erst mal eine
ganz ordentliche Voraussetzung«. »Richtig gut ist das alles trotzdem
natürlich nicht«, fügte Müller hinzu.
Um »ordentlich durch die nächsten Winter« zu kommen, müsse
Deutschland auf andere Erdgaslieferanten als Russland umsteigen,
sagte Müller. Zudem müssten private Haushalten und die Industrie
sparsamer und effizienter mit Gas umgehen. In jedem Fall sei die
Kostenbelastung durch die Energiekrise »immens, das muss man den
Menschen, auch der Industrie, der Wirtschaft in aller Ehrlichkeit
sagen«.
Militärexperte Masala: Putin hat einen Lauf
29. Mai
Der russische Präsident Wladimir Putin sieht nach Einschätzung des Politologen und Militärexperten Carlo Masala derzeit keinen Grund
zu Verhandlungen mit der Ukraine. Putin werde erst dann ernsthaft zu verhandeln beginnen, wenn er befürchten müsse, durch eine
Fortführung des Krieges mehr zu verlieren als zu gewinnen, sagte Masala, Professor für Internationale Politik an der Universität der
Bundeswehr in München, der Nachrichtenagentur dpa. Genau das aber sei derzeit nicht der Fall. »Es läuft für ihn. Von daher gibt es
überhaupt keinen Anreiz, sich in diese Verhandlungen hineinzubegeben.«
Die jüngsten militärischen Erfolge der russischen Streitkräfte im Donbass in der Ostukraine lassen sich nach Masalas Einschätzung auf
zwei Ursachen zurückführen: Erstens fehle es den Ukrainern an schweren Waffen. Zweitens hätten die Russen ihre Strategie erfolgreich
geändert. »Im Gegensatz zum bisherigen Kriegsverlauf gehen sie nicht mehr an breiten Abschnitten der Front vor, sondern ziehen ihre
Truppen zusammen, um an kleinen Stücken der Front voranzukommen. Dadurch haben sie derzeit eine personelle Überlegenheit.«
Für die Ukraine stelle sich nun die Frage, ob sie bestimmte Gebiete aufgebe, weil ansonsten die Gefahr bestehe, dass dort Truppen
eingekesselt würden und dann vielleicht in Kriegsgefangenschaft gerieten. Dabei gehe es zum Beispiel konkret um die Stadt
Sjewjerodonezk. »Wenn die Russen diese Stadt einnehmen, haben sie den Oblast Luhansk fast komplett unter ihrer Kontrolle«, sagte
Masala. Ganz entscheidend für den weiteren Kriegsverlauf sei jetzt, welchen Erfolg die von der Ukraine für Juni angekündigte
Gegenoffensive haben werde.